Autor: Bernd Marl
August 12, 2020

Das Wichtigste in Kürze

  • Im Alltag wird die Hüfte meist in Form von kombinierten Bewegungen beansprucht.
  • Schmerzen in der Hüfte sowie auch Rückenschmerzen können die Folge einer eingeschränkten Beweglichkeit der Hüftmuskulatur sein. Dadurch kann das System rund um die Hüfte nicht mehr ökonomisch arbeiten, was zu Schmerzen in der Hüfte sowie auch im unteren Rücken führen kann.
  • Oftmals haben Menschen mit Rückenschmerzen eine sehr ausgeprägte Rückenmuskulatur. Grund dafür ist, dass die Wirbelsäule die mangelnde Beweglichkeit der Hüfte kompensiert. Wenn also die Hüfte nicht beweglich genug ist, bewegt sich die Lendenwirbelsäule. Dies kann zu Schmerzen im unteren Rücken führen.

1. Was ist die Hüfte?

Als Hüfte selbst wird der Bereich um das Hüftgelenk mit dessen Weichteilmantel bezeichnet.

Das Hüftgelenk zählt zu den großen Gelenken unseres Körpers, welches, vereinfacht, ausgedrückt vom Kopf des Oberschenkelknochens oder Femurkopf und der Hüftpfanne gebildet wird.

1.1. Bewegungsradius des Hüftgelenks

  • Beugung (Anteversion): 140 Grad
  • Streckung: 15 Grad
  • Abduktion: 45 Grad
  • Adduktion: 30 Grad
  • Innenrotation: 45 Grad
  • Außenrotation: 50 Grad

Im täglichen Leben wird das Hüftgelenk meist in Form von kombinierten Bewegungen beansprucht.

2. Hüftmuskulatur

Die Muskeln rund um die Hüfte (Muskelmantel) sind sehr massiv, da sie auf der einen Seite bewegend und auf der anderen Seite haltend auf das Hüftgelenk wirken.

Hauptaufgabe der vorderen Hüftmuskeln ist das Beugen.

Im Gegensatz dazu ist die Hauptaufgabe der hinteren Hüftmuskulatur die Außenrotation, welche auch bei der Abduktion und Hüftstreckung unterstützt.

Die äußeren Hüftmuskeln dienen hauptsächlich zur Stabilisierung des Beckens über dem Standbein, wogegen die inneren Hüftmuskeln die Adduktorengruppe bilden und somit überwiegend adduzieren.

3. M. iliopsoas

Der M. iliopsoas ist der kräftigste Hüftbeuger und besteht aus zwei Muskeln (M. iliacus, M. psoas major) mit unterschiedlichem Ursprung.

Der M. psoas major entspringt von den Seitenflächen des 12. Burstwirbels und des 1. – 4. Lendenwirbels sowie den dazwischenliegenden Bandscheiben.

Der M. iliacus entspringt von der Innenfläche des Darmbeins.

Die Hüfte ist somit mit der Wirbelsäule verbunden.

Durch zu wenig Bewegung und zu viel Sitzen im Alltag, kann der M.iliopsoas verkürzen und abschwächen.

Man geht davon aus, dass der Muskel dadurch nicht mehr so gut ansteuerbar ist.

4. Funktionstest des M. iliopsoas

Ob der M. iliopsoas hinsichtlich seiner Funktion eingeschränkt ist, lässt sich z.B. mittels eines einfachen Tests überprüfen.

Hebe dazu das Bein vom Boden an, ziehe das Knie zur Brust und versuche dabei das Bein ohne sofortiges Zurücklehnen des Oberkörpers, ohne Verschiebung im Beckenbereich sowie ohne abruptem Fallenlassen auf Beckenhöhe, mindestens 15 – 20 Sekunden über 90 Grad gebeugt zu halten.

Sollte es dir nicht gelingen, dein Bein 15-20 Sekunden in dieser Position zu halten, deutet das darauf hin, dass der M. iliopsoas zu schwach oder verkürzt ist.

Schmerzen können die Folge sein

Wenn die Hüfte aufgrund mangelnder Beweglichkeit nicht mehr frei bewegt werden kann, kann dies zu unnatürlichen Ausweichbewegungen in der Wirbelsäule und in weiterer Folge zu Schmerzen in der Hüfte und im Rücken führen.

5. Schmerzen in der Hüfte und im unteren Rücken

Dieses Beispiel verdeutlicht den muskulären Zusammenhang rund um die Hüfte und wie Schmerzen in der Hüfte sowie Rückenschmerzen entstehen können, ziemlich gut.

  • Eine zu schwache Bauchmuskulatur lässt das Becken nach vorne kippen, wordurch ein Hohlkreuz entsteht.
  • Dadurch kann der M. iliopsoas geschwächt bzw. verkürtz werden.
  • Der verkürzte M. iliopsoas lässt die Streckung in der Hüfte nur bedingt zu, was dazu führt, dass zum einen der große Gesäßmuskel bei der Hüftstreckung nicht angesteuert und mitwirken kann und deshalb abgeschwächt wird sowie zum anderen die Lendenwirbelsäule die Streckung kompensieren muss.
Merke

Oftmals haben Menschen mit Rückenschmerzen eine sehr ausgeprägte Rückenmuskulatur.

Grund dafür ist, dass die Wirbelsäule die mangelnde Beweglichkeit der Hüfte kompensiert.

Wenn also die Hüfte nicht beweglich genug ist, bewegt sich die Wirbelsäule.

Dies kann zu Schmerzen im unteren Rücken führen.

6. Blockierte Hüfte

Eine blockierte Hüfte bedeutet in der Regel nichts anderes, als dass der Bewegungsradius des Hüftgelenks eingeschränkt ist.

Mittels Dehnübungen, Mobilisierungsübungen sowie Kräftigungsübungen gelingt es dir, Schritt für Schritt die Bewegungseinschränkung in der Hüfte zu lösen bzw. die Hüfte zu öffnen und so fit für den Alltag zu werden.

7. Dehnübungen für die Hüfte 

Statische Dehnübungen charakterisieren sich in erster Linie dadurch, dass man eine Dehnposition einnimmt und diese über einen längeren Zeitraum (ca. 30s – 120s) hält.

7.1. Übungsvideo zum Nachmachen

Trainingszeit ca. 12 Minuten

7.2. Knie fallen in Rückenlage

Hüfte dehnen 1

Aus der Rückenlage die Beine aufstellen und die Fersen soweit es geht Richtung Gesäß führen.

Danach die Knie nach außen fallen lassen.

Diese Position für 30 Sekunden halten.

7.3. Hüftbeuger dehnen

Hüfte dehnen 2

Ausgangsposition ist ein Ausfallschritt, wobei der Unterschenkel des hinteren Beins auf einem Sessel aufliegt.

Danach den Oberkörper nach vorne beugen, die Hüfte strecken und die Gesäßmuskulatur anspannen.

Diese Position für 30 Sekunden halten.

7.4. Gesäßmusulatur dehnen

Hüfte dehnen 3

Aus einer Sitzenden Position ein Bein überschlagen und den Oberkörper nach vorne lehnen, bis eine Dehnung im Gesäß spürbar ist.

Diese Position für 30 Sekunden halten.

7.5. Frosch Dehnung

Hüfte dehnen 4

Ausgangsposition ist der Vierfüßlerstand, wobei die Beine etwas breiter aufgestellt sind als gewöhnlich.

Danach die Füße nach außen drehen, sodass die Zehenspitzen nach außen zeigen.

Zum Schluss das Gesäß nach hinten schieben bis eine Dehnung spürbar ist.

Diese Position für 30s halten.

7.6. Dehnübungen für die Hüfte als PDF

8. Mobilisierungsübungen für die Hüfte

Bei Mobilisierungsübungen wird die Endposition eines Gelenks nicht statisch gedehnt, sondern es geht darum, den Bewegunsradius des Gelenks dynamisch durch Bewegungen zu dehnen.

Meist ist dabei mehr als nur ein Gelenk an einer Bewegung beteiligt. 

8.1. Übungsvideo zum Nachmachen

Trainingzeit ca. 12 Minuten

8.2. Hüfte beugen/strecken

Hüfte mobilisieren 1

Ausgangsposition ist der Kniestand.

Danach ein Bein seitlich aufstellen und den Oberkörper aufrichten.

Als nächstes den Oberkörper mit geradem Rücken nach vorne beugen, sodass eine leichte Dehnung an der Innenseite des Oberschenkels spürbar ist.

Im Anschluss den Oberkörper wieder aufrichten.

Diesen Bewegungsablauf 10x wiederholen.

8.3. Fuß heben in Bauchlage

Hüfte mobilisieren 2

In Bauchlage ein Bein abgewinkelt zur Seite strecken.

Danach den Fuß so weit es geht vom Boden heben bis die Fußsohle zur Decke gerichtet ist.

Diese Bewegung 10x wiederholen.

8.4. Butterfly roll

Hüfte mobilisieren 3

Aus dem Schmetterlingssitz (Fußsohlen zeigen zueinander und Knie nach außen fallen lassen) die Arme nach vorne strecken.

Danach die Beine auf einer Seite zusammenbringen und mit dem Gesäß draufsetzen.

Im Anschluss daran die Beine wieder öffnen und den Vorgang wiederholen.

Diese Bewegung 10x wiederholen.

8.5. Knie um die Ferse kreisen

Hüfte mobilisieren 4

Im Halbkniestand das Knie um die Ferse kreisen. 

Diese Bewegung 10x wiederholen.

8.6. Mobiübungen für die Hüfte als PDF 

9. Kräftigungsübungen für die Hüfte 

Wie bereits erwähnt, besteht die Aufgabe der Hüftmuskulatur nicht nur in der Bewegung des Gelenks sondern auch in der Stabilisierung.

9.1. Übungsvideo zum Nachmachen

Trainingszeit ca. 10 Minuten

9.2. Hüftbeuger kräftigen

Hüfte kräftigen 1

Aus dem Sitzen das gestreckte Bein über einen Gegenstand heben.

Diese Bewegung 10x wiederholen.

9.3. Gesäßmuskulatur kräftigen

Hüfe kräftigen 2

Aus dem Vierfüßlerstand ein Bein zur Seite strecken und danach heben und senken.

Diese Bewegung 10x wiederholen.

9.4. Sumo Squat

Hüfte kräftigen 3

Aus der Sumo Ausgangsposition das Gesäß auf höhe der Knie führen und dabei den Rücken gerade halten.

Danach das Gesäß wieder in die Ausgangsposition zurück führen.

Diese Bewegung 10x wiederholen.

9.5. Knie heben aus dem Z-Sitz

Hüfte kräftigen 4

Aus dem Z-Sitz das Knie bzw. das gesamte Bein leicht vom Boden heben.

Diese Bewegung 10x wiederholen.

9.6. Kräftigungsübungen für die Hüfte als PDF

Tipp

Du musst nicht alle Übungen auf einmal absolvieren. Nimm dir pro Training 2-4 Übungen heraus und absolviere 10 Wiederholungen zu je 2-3 Serien pro Übung.

10. Hüfte dehnen, mobilisieren oder kräftigen? 

Aus wissenschaftlicher Sicht macht es nur einen geringen Unterschied ob man die Muskulatur der Hüfte dehnt oder mobilisiert.

Beide Varianten werden dich an dein Ziel bringen, die Hüfte zu öffnen bzw. die Beweglichkeit deiner Hüftgelenke zu verbessern.

Als Vorbereitung auf eine sportliche Tätigkeit sind Mobilisierungsübungen dem statischen Dehnen überlegen.

Es ist also durchaus sinnvoll Mobilisationsübungen in ein jedes Aufwärmprogramm zu integrieren.

Beim statischen Dehnen im Gegenteil hat man eine gute Kontrolle über die Dehnung an sich und es kann dabei helfen, sich psychisch zu entspannen.

Von daher empfiehlt es sich, statische Dehnübungen am Abend oder in der Früh wenn zur Entspannung zu absolvieren.

Kräftigungsübungen für die Hüfte kannst du direkt im Anschluss nach dem Dehnen bzw. Mobilisieren deiner Hüfte durchführen.

Bernd Marl


Neben meiner selbstständigen Tätigkeit als Sportwissenschafter bin ich Lehrbeauftragter für Sport und Bewegung.
Gemeinsam mit Kollegen aus den Fachbereichen Sportwissenschaft, Sportphysiotherapie und Sportmedizin trainiere und betreue ich Menschen mit körperlichen Beschwerden, auf dem Weg zurück nach einer Verletzung sowie zur Prävention und Leistungssteigerung.

Bernd Marl

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    • Dafür gibt es viele Ursachen. Das kann ich dir per Ferndiagnose leider nicht beantworten. Ich kann dir empfehlen, dass du dich zuerst an einen Physiotherapeuten oder Arzt wendest, um abzuklären was die Ursache ist und dich danach an einen Sportwissenschafter wendest, der mit dir gemeinsam Übung erarbeitet, welche dir weiterhelfen.

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